[AGCW] Offener Brief an DF2NU
Michael Straub
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Fr Mai 19 00:09:32 EDT 2017
Guten Morgen,
dem schließe ich mich an. Auch mir ist diese "hitzige Diskussion" völlig
entgangen. War es vielleicht nur ein Sturm im Wasserglas?
Viele Grüße
Micha, DF4WX
Am 18.05.2017 um 23:24 schrieb Michael Ahlgrimm:
> Lieber Rolf,
>
> Dein Beitrag gefällt mir, aber ich weiß garnicht, worum es geht:
>
> Du schreibst von einem Brief, den DF2NU an DK1JU geschrieben haben
> soll. Du schreibst von einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung. Und
> Du schreibst von einer darum entbrannten hitzigen Diskussion.
>
> Das alles kenne ich nicht, da ich nicht ständig alle möglichen Medien
> durchforste. Es wäre schön, wenn die entsprechenden Quellen auffindbar
> genannt werden würden. Sonst bleibt der offene Brief nur "halboffen".
>
> Deiner Meinung zu Entschleunigung, Unnötigkeit einer Einsteigerlizenz
> und zum verzwifelten Ruf nach Nachwuchs schließe ich mich voll an. Wir
> sollten über unser Hobby informieren, uns offen gegenüber
> Interessenten zeigen und Hilfesuchenden Hilfe geben. Mehr ist garnicht
> notwendig. Wer Lust auf mehr bekommt, der ergreift dann von sich aus
> die Initiative.
>
> 73 de Mike, DJ9BX
>
>
>
>
> Am 18.05.2017 um 21:17 schrieb Rolf Heine:
>> Meine Erwiderung bezüglich des Briefes des Chefredakteurs von Radio
>> DARC,
>> Rainer Englert, DF2NU, an OM Edi Maier, DK1JU, über dessen
>> CW-Aktivitäten an
>> prominenter Stelle in der Süddeutschen Zeitung berichtet wurde. In
>> der Folge
>> entstand im Internet eine hitzige Diskussion um den Nutzen von
>> Beiträgen in
>> der Presse über die Morsetelegrafie im Amateurfunkdienst. An dieser
>> Diskus-
>> sion, die sicher nicht ganz unwichtig ist, beteiligte sich auch OM
>> Rainer,
>> DF2NU, mit einem Brief an OM Edi. Dieser Brief wurde mir mit der
>> Bitte zu-
>> geschickt, ich möchte doch bitte die Meinung als 1. Vorsitzender der
>> AGCW
>> dazu abgeben. Das werde ich gerne in Form eines Offenen Briefes machen.
>> Hier also meine Replik.
>>
>>
>> Lieber Rainer,
>>
>> zunächst einmal danke ich Dir sehr herzlich für die Berichte im
>> DARC-Radio
>> über unser CW-Wochenende in Erbenhausen. Ich wende mich aber heute in
>> einer
>> anderen Sache an Dich, die mir von Mitgliedern der AGCW zugetragen
>> wurde.
>>
>> Wiederholt berichten Zeitungen über die Morsetelegrafie im
>> Amateurfunkdienst.
>> Gerade erst wieder das Rüsselsheimer Echo. Ich will an dieser Stelle
>> über den
>> von der Axel-Springer-Stiftung für junge Journalisten prämierten
>> Beitrag über
>> Edi, DK1JU, abgedruckt in der Wochenendausgabe der Süddeutschen
>> Zeitung vom
>> 2./3. Januar 2016, einiges zu Deiner Stellungnahme an Edi dazu
>> antworten, der
>> mir mit der Bitte um Kommentierung zugesandt wurde.
>>
>> Ich denke, Deine Argumente reflektieren zu sehr aus der Sicht des
>> Modernisten
>> unter uns Funkamateuren. Wobei ich unbedingt auch sagen möchte, dass
>> Deine
>> Verdienste und Dein Engagement allergrößten Respekt abnötigen und ich
>> meine
>> Zeilen auch nicht abwertend meine.
>>
>> Journalisten schreiben das, was Auflage bringt. Das ist ihr Job, das
>> verlangt der Brötchengeber. Wenn also Journalisten zunehmend über die
>> Morsetelegrafie im Amateurfunk berichten, wobei ja letztens sogar der
>> benannte Beitrag über die Telegrafie aus der Süddeutschen Zeitung
>> ganz zu
>> Recht prämiert wurde, dann hat das schon seinen Grund. Die Rezipienten
>> wollen das lesen, sonst würden die Zeitungen das ja nicht drucken. Als
>> Medienschaffender weißt Du das. Ich möchte es noch pointierter
>> ausdrücken:
>> kaum jemand interessiert sich in der Öffentlichkeit für ein Internet
>> 2.0 der
>> Funkamateure. Sonst würden Journalisten darüber berichten. Man kann
>> damit
>> keine Leserzahlen erhöhen und man wird dafür auch keine Werbekunden
>> finden.
>> Das Business ist anders gestrickt, auch das ist Dir bekannt.
>>
>> Es geht um einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz und um eine
>> umfassendere
>> Betrachtung darüber, was dem Amateurfunkdienst nützt und was nicht.
>> Damit
>> sind wir beim Grundsätzlichen.
>>
>> Unsere Gesellschaft will mehrheitlich in der immer knapper werdenden
>> Freizeit eine Entschleunigung. Das Fahrrad ist heute beliebter als je
>> zuvor,
>> da können noch so viele schnelle BMW durch die Gegend fahren. Noch
>> nie sind
>> so viele Leute Marathon gelaufen wie heute. Die Stadtläufe sind derart
>> überfüllt, dass die Veranstalter sogar Absagen an Interessenten senden
>> müssen. In seiner Freizeit will der durchindustriealisierte Mensch heute
>> „back to the roots“, zurück zum Ursprung, sinnentleerendes
>> Hinterherhecheln
>> hinter immer neuen Entwicklungen vergessen und stattdessen seine ganz
>> persönlichen Fähigkeiten entdecken und zur Geltung bringen.
>>
>> Und da sind wir jetzt bei der Morsetelegrafie.
>>
>> CW verlangt dem Funkamateur heute wie damals große Mühen beim
>> Erlernen ab.
>> Die Funkverbindung wird mit CW aufs Wesentliche reduziert. Das eigene
>> Können
>> und nicht etwa eine vom User unverstandene Software entscheidet über
>> Erfolg
>> oder Misserfolg. Die Morsetelegrafie ist nicht nur Tradition, sie
>> wird schon
>> gar nicht von „tattrigen Rentnern“ (O-Ton DL4NO) betrieben sondern
>> sie ist
>> insbesondere aus der Sicht der Öffentlichkeit ganz sicher
>> sinnstiftend für
>> den Amateurfunkdienst in Deutschland. Sinnstiftendes trägt immer auch
>> zur
>> Legitimation bei. Auch das müssen wir Funkamateure im Blick haben,
>> wenn wir
>> über die Rechtfertigung unseres Frequenzbedarfs argumentieren.
>>
>> Ein großer Fehler wäre zu meinen, man müsse nun alles daransetzen die
>> Jugend
>> für sich zu gewinnen, um nur ja genug Nachwuchs zu rekrutieren. Das
>> ist ein
>> falscher Ansatz. Unsere Gesellschaft hat heute einen großen Schatz der
>> gehoben werden will: hochbegabte, gebildete und finanzkräftige
>> Senioren, für
>> die der Amateurfunk geradezu eine ideale Freizeitbeschäftigung
>> darstellt.
>> Wir vergeuden mit unseren zweifelhaften Bemühungen um eine Absenkung von
>> Prüfungsstandards und den Verirrungen bei der Verquickung von
>> kommerziellem
>> Internet und Funkbetrieb wertvolle Ressourcen. Der fast schon
>> verzweifelt
>> anmutende Ruf nach „Nachwuchs“ reduziert die Zukunft des Amateurfunks
>> auf
>> junge Menschen. Das ist ganz falsch. Das Gegenteil ist richtig.
>>
>> Ohne die Mühen der Funkamateure wäre das Weltkulturerbe Morsetelegrafie
>> möglicherweise bereits mittelfristig sogar vom Aussterben bedroht. Die
>> Funkamateure aber senden ihre Morsezeichen weiterhin weltweit, sie
>> benötigen
>> dafür nur einfache Technik, sie werden überall verstanden und CW
>> verbindet
>> heute hunderttausende Funkamateure international. Ich höre in meinem
>> DMR-Funkgerät jedoch andererseits nichts von dem, was den Amateurfunk
>> wirklich ausmacht. Es ist Technik um ihrer selbst Willen, gemacht von
>> Leuten, die ihre berufliche Erfahrung einbringen um sich dann darin zu
>> sonnen, ohne diese dem Nutzer auch nur ansatzweise vermitteln zu
>> können. Es
>> braucht heute ausschweifende Kurse über die Fütterung wirklich simpler
>> Codeplugs für DMR-Funkgeräte aus dem kommerziellen Bereich, deren
>> Nutzen für
>> den Amateurfunk ganz und gar zweifelhaft ist. Immerhin werden Frequenzen
>> belegt. Viel mehr aber auch nicht.
>>
>> Noch ein Beispiel. Ich betreibe sehr gerne auch Satellitenbetrieb.
>> Und auch
>> da kommt, diesmal ganz praktisch, die Morsetelegrafie ins Spiel. Denn
>> bei
>> einem 20dB-Vorteil gegenüber SSB und geringer Bandbreite, sind so die
>> interessantesten Verbindungen möglich. Meine schönste Verbindung war
>> die vor
>> zwei Jahren über AMSAT-OSCAR 7 in Morsetelegrafie, mit einfachem
>> Dipol und
>> 50 Watt aus einem FT-847 über den Atlantik in die USA. Hier zeigt
>> sich der
>> praktische Nutzen der Telegrafie, jenseits jeglicher Nostalgie.
>>
>> Du hast geschrieben, die Zukunft des Amateurfunks sei digital. Nein,
>> das ist
>> sie nicht. Sie ist bunt, mit einem sehr farbenfrohen Klecks CW. Erinnere
>> Dich an die Anfänge von Packet-Radio. Es sollte die Zukunft sein. Der
>> Abgesang auf den analogen Amateurfunk wurde eingeleitet. Doch was ist
>> davon
>> geblieben? Die Digimodes kommen und gehen, aber die Morsetelegrafie
>> bleibt.
>> Das zeigen auch die stetig steigenden Mitgliederzahlen der CW-Clubs,
>> insbesondere der internationalen Clubs FISTS oder CWOP. Die Auswertung
>> unserer Mitgliederdatei der AGCW-DL zeigt übrigens, dass wir durchaus
>> kein
>> überalteter Verein sind. In den USA geht gerade ein regelrechter CW-Hype
>> los. Dort lernen immer mehr Funkamateure Telegrafie, weil sie eben
>> dazugehören wollen. Der behördliche Zwang von früher weicht einer
>> Lust am
>> eigenen Können. Der Morsetelegrafie im Amateurfunk steht daher eine gute
>> Zukunft bevor. Funktionstastendrückerei und Kopieren von Codeplugs
>> kann da
>> nicht mithalten.
>>
>> Wenn manche Verantwortliche des DARC nun trotzdem der Ansicht sind, man
>> müsse nur in Konkurrenz treten zum Internet, dann würde sich schon
>> Nachwuchs
>> für den Amateurfunk begeistern, so ist das wie das Pfeifen im Walde.
>> Niemals
>> werden Funkamateure auch nur ansatzweise mit ihren äußerst begrenzten
>> finanziellen und materiellen Möglichkeiten so mehr erreichen, als
>> höchstens
>> kleine, kaum wahrnehmbare Achtungserfolge. Was in Deutschland vielleicht
>> noch Ansätze bleiben, wird andernorts völlig ausbleiben. Den
>> Wettkampf mit
>> Whatsapp und Facebook um die jungen Leute mit einem in weiten Teilen der
>> Republik kaum erreichbaren Hamnet führen zu wollen, das ist ungefähr so
>> sinnvoll, wie einen Papierflieger in Konkurrenz zu setzen mit einer
>> Mond-
>> rakete. Und weil diese Ansätze nicht funktionieren, müssen kommerzielle
>> Datennetze als Ersatz für die Ionosphäre her? Was ist daran
>> eigentlich noch
>> Amateurfunk? Einige wenige Spezialisten können sich hier austoben. Mehr
>> nicht. Der große Rest probiert diese neuen Möglichkeiten vielleicht auch
>> einmal aus – bis es zu langweilig wird.
>>
>> Wenn also Zeitungen über CW-Funkamateure berichten, die mit sagenhaft
>> ein-
>> fachem Equipment in einer Welt voller modernster Technologie nur
>> durch eigenes
>> Beherrschen der Morsetelegrafie weltweit Funkverbindungen herstellen,
>> so ist
>> eben das Interesse der Leser geweckt. Das wissen Journalisten und
>> Redaktionen.
>> Morsetelegrafie ist halt auch so eine Art Entertainment, die wieder
>> zunehmend
>> Menschen begeistert. Persönliche Anstregung und Einfachheit, das ist
>> in unserer
>> Gesellschaft en vogue. CW ist und bleibt aus diesem einfachen Grund
>> auch in
>> Zukunft die Königin unter den Disziplinen im Amateurfunk – nicht nur,
>> weil es
>> um das öffentliche Ansehen geht.
>>
>> Und genau deshalb berichten Journalisten eben auch darüber.
>>
>> 73, Rolf Heine
>> DL6ZB
>> 1. Vorsitzender AGCW-DL e.V.
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