AW: [AGCW] Fwd: Re: AW: Mitgliederbefragung vom Februar 2002

Harald Krahmüller [email protected]
Mon, 21 Jul 2003 20:51:36 +0200


> -----Ursprüngliche Nachricht-----
> Von: Werner 'Joe' Jochem


> unerträglich, aber was
> > bitte hat CW mit Qualität zu tun?
> >
> >
> > Antwort:		Nichts!
>
> Falsch, Harald. Aber lies bitte noch ein Stück weiter.

......

> Das Festhalten an der bisherigen Regelung, den Kurzwellen-Zugang mit dem
> Nachweis von Telegrafie-Kenntnissen zu verbinden, hat also gar nichts mit
> Nostalgie zu tun. Es ist vielmehr ein Beitrag, eine über
> Jahrzehnte bewährte
> Struktur zu bewahren - zu bewahren auch im Sinne einer Qualitätssicherung
> für den Amateurfunk (was nichts mit menschlichen Qualitäten zu tun hat, da
> ist CW sicher nicht bestimmend).


Lieber Werner,


Strukturen zu bewahren, die von der realen Welt längst überlebt sind, ist
Nostalgie. Das gewesene als "bewährt" zu bezeichnen ist bei Konservativen
beliebt, es soll aber vor allem darüber hinwegtäuschen, das es gleichwohl
"gewesen", von gestern ist und daß das heute - nicht besser und nicht
schlechter, eben - anders ist.


Zum Thema Qualitätssicherung darf ich darf folgendes in Erinnerung rufen:

§2 Amateurfunkgesetz AFUG von 1997:

Amateurfunkdienst ist ein Funkdienst zur Erfüllung von experimentellen und
technisch-wissenschaftlichen Studien. Der Amateurfunkdienst dient der
eigenen Weiterbildung, der Völkerverständigung und hilft bei Not- und
Katastrophenfällen.


Wo steht da was von CW bzw. einer gegenüber den anderen herausgehobenen
Betriebsart? Es ist von "experimentellen und technisch-wissenschaftlichen
Studien" die Rede und die kann man heute sicher mindestens gleich gut mit
modernen Datenübertragungsmethoden durchführen ohne einen Verlust an
Qualität zu erleiden; eher das Gegenteil.


Ich kenne alte CWisten, die zwar die grauseligsten "Handschriften" auf dem
Band einwandfrei lesen können, die bei jedem kleinsten Wehwehchen ihres
gekauften Funkgerätes zum Händler rennen und sich von anderen OM die
Antennen anpassen lassen. Wer tut mehr für die Qualitätssicherung des
Amateurfunk, ein solcher CWist oder ein technisch versierter DB1XYZ? Welche
ernstzunehmende Begründung gäbe es, diesem DB8XYZ den Zugang zur Kurzwelle
zu verwehren, solange die "technische Mumie" es darf?


> abträglich sein (um es mal vorsichtig zu formulieren). Damit verliert der
> Amateurfunk eines seiner Wesensmerkmale, die auch sein Bild in der
> Nicht-Amateurfunk-Öffentlichkeit wesentlich geprägt haben. Der Amateurfunk
> wird schlicht ärmer werden.


Nur weil CW das Bild des Amateurfunks in der Öffentlichkeit über Jahrzehnte
hin geprägt hat (ja warum eigentlich? weil zunächst nichts anderes gab und
weil danach keine zukunftsgerichtete Öffentlichkeitsarbeit des DARC
stattfand !), besteht keinerlei Notwendigkeit, diesen "alten Zopf" als
Pflicht beizubehalten. Vielmehr wird es Aufgabe der Funkamateure sein, von
diesem Nostalgie- oder Opaimage wegzukommen und sich auch in der
Öffentlichkeit als "moderner", dem heute zugewandter Funkdienst
darzustellen, der neben überkommenen auch gleichberechtigt neuste technische
Möglichkeiten aller sich bietenden Art nutzt. Dann - und nur dann - werden
wir auch wieder Zulauf von jungen Menschn bekommen. Welchem Jungen kann man
denn allen Ernstes empfehlen, in diesen "Opaverein" einzutreten. (Ich war
gerade am Freitag auf dem wöchentlichen Treffen meines OV - ich selbst bin
55 Jahre alt und damit gar nicht weit über dem Altersdurchschnitt des OV -
und ich weiß daher, von was ich rede).


Den jungen Menschen aber, die  d a n n  zu uns kommen, sollten wir versuchen
zu erklären, daß trotz aller modernen Betriebsarten CW weiterhin etwas
interessantes ist, das - freiwillig - zu lernen sich aus den verschiedensten
Gründen lohnt. Wenn sie es dann tun - gut; wenn nicht - auch gut, wenn sie
dafür anderes tun, das den Amateurfunk und damit uns alle weiterbringt.



> Ich weiß, dass in der AGCW zur Zeit die Köpfe rauchen. Viele Leute machen
> sich Gedanken, wie man die Zukunft der Telegrafie einigermaßen
> sichern kann.


In einem vereinten Europa, das bestrebt ist, gleiche Regeln in allen Ländern
für vergleichbare Sachverhalte zu schaffen, ist es eine schiere Illusion zu
glauben, man könne durch einseitig deutsche Regelungen die Zukunft der
Telegrafie einigermaßen sichern. Wo lebst Du eigentlich?



> Es muss nicht unbedingt von "Dummheit" zeugen, wenn man einen Standpunkt
> weiterhin vertritt, obwohl die Mode etwas anderes befiehlt.


Richtig, es ist aber Dummheit gepaart mit Sturheit, auf einem Standpunkt zu
beharren, von dem man weiß, daß er auf lange Sicht praktisch nicht zu halten
ist (s.o. - vereintes Europa).

Und:

Ist es eine schiere Mode, daß es CW in den anderen Funkdiensten nicht mehr
gibt?


Ich weiß natürlich, daß ich die verbissenen CWisten in dieser Liste nicht
überzeugen kann, was soll`s, an Euch geht die Geschichte vorbei, ob Ihr es
versteht oder nicht. Ich weiß aber, daß es OM gibt, die sich mit Argumenten
ohne Vorbehalt auseinandersetzen; die spreche ich an.


Dies war meine letzte Äußerung zu diesem Thema.


Ich grüße Euch alle!



Harald in Bielefeld (DF7XW)



Ps.:

> Im übrigen: falls Du erfahrene Telegrafisten als "Trainingspartner"
> brauchst, schau Dir mal auf der Website der AGCW das
> "Morsefreund"-Programm
> an.


Danke für den Hinweis, ich werde davon Gebrauch machen.